Dieses Buch über die Metropole Kairo ist kein Reiseführer im herkömmlichen Sinne, sondern eine persönliche Beschreibung über die architektonischen Höhepunkte der Stadt, ihrer Menschen und vieles mehr.
Die Autorin Leone Strizik war schon oft in Kairo und nimmt in ihrem Buch die Leserschaft mit auf ausgedehnte Spaziergänge in der Metropole.
„Das Wunder Kairo“ so der Buchtitel, macht neugierig, denn was meint die Autorin damit? Ist Kairo ein Mysterium, ein Rätsel oder einfach eine Besonderheit die sonst keiner Stadt gebührt? Der Untertitel „Geschichten aus der Mutter aller Städte“ gibt fast schon die Antwort! Nach Auslesen des Buches wird dies umso deutlicher. Ob man selbst schon einmal in Kairo war oder nicht, spielt keine Rolle, um die Geschichten die die Autorin schreibt zu verstehen; man braucht auch keine Vorkenntnisse zu der Stadt.
Der Großteil des Inhaltes beschäftigt sich mit einzigartigen Bauten, wie: Moscheen, Madrasas (Schulen, in der Islamwissenschaften unterrichtet wird), Mausoleen oder Kloster. Viele dieser Bauten in ihren Vierteln lernt der Leser kennen. Die Autorin geht sehr detailliert darauf ein, wie die Bauten aussehen oder was für eine Verwendung sie finden. Der historische Kontext wird auch berücksichtigt, so z.B. wer den jeweiligen Bau errichten ließ. Es gibt so viele großartige Bauten in Kairo, was einem bald klar wird. Um sich auf den Besuch vor Ort einzustimmen, sind die Beschreibungen von Leone Strizik sicherlich sehr hilfreich.
Es fällt einem nicht schwer sich anhand der ausführlichen Beschreibungen die Architektur vorzustellen, die oftmals mit Fotografien bebildert, dem Leser einen noch besseren Eindruck verschaffen. Jedem Kapitel sind einige Farbseiten beigefügt. Bei den Gebäuden handelt es sich größtenteils um islamische Architektur, dennoch kommt auch koptisch-orthodoxe darin vor.
20 Hauptkapitel umfaßt der Buchinhalt: vom Zitallenviertel bis hin zum Nil, ist eine große Vielfalt an Themenbereichen zu finden. Der Schwerpunkt liegt natürlich immer auf der Stadt, mit all ihren Besonderheiten. So die belebten Dächer Kairos, die Totenstädte, das Handwerk oder typische Traditionen. Jedes Kapitel beinhaltet eine Menge an Informationen, die subjektiver Natur sein können oder einfach eine sachliche Beschreibung von Gebäuden. Doch immer fühlt man sich, der Autorin verbunden, da sie quasi als mentale Reiseführerin fungiert. Sie erörtert auch ihre eigenen Gedanken zu bestimmten Themen, wie z.B.: Beschneidung, Brotkultur oder Wasser. Im Buch finden sich ebenso kritische Stimmen, so z.B. die Spannungen heutzutage zwischen Muslime und Christen in Kairo.
Hervrozuheben ist das Kapitel "Anders Wohnen in Kairo", wo beschrieben wird wie Menschen entweder auf Dächern mit ihren Tieren oftmals, oder mit ihrem Müll wohnen, oder in den Totenstädten mit vielen alten Gräbern.
Kairo hat eine lange Historie und viel an politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Ereignissen mitgemacht; solche kommen im Buch auch zur Sprache. Die Autorin versteht es gut, diese zu kommunizieren, denn die Leserschaft taucht ein in die Vergangenheit: Manchmal bezieht sie sich auf das Alte Ägypten! Des Öfteren jedoch auf das Mittelalter oder die Anfänge des islamischen Kairos. Erstaunlich gut recherchiert, erfährt der Leser tiefgründiges Wissen, über unterschiedliche Bereiche. Der Leser befindet sich mal in der Vergangenheit und mal in der Gegenwart, je nach Kapitel!
Natürlich kommen auch einzelne Ägypter*innen im Buch vor, anhand deren Berufe, Erlebnisse oder Status. Das macht das Ganze noch individueller und persönlicher. Man lernt also nicht bloß das einzigartige Umfeld der Kairoer kennen, sondern auch Menschen die dort leben und arbeiten. Besonders interessant sind zahlreiche Berufe, die vorgestellt werden, wie z.B. Hutmacher, Glasbläser, Fußbügler, Färber, Töpfer und weitere. Das Handwerk hat in Ägypten große Bedeutung und ist wichtig, ja lebensbestimmend für viele Menschen dort. Schön somit die persönlichen, manchmal auch traurigen Geschichten im Buch zu erfahren, die diese Leute ausmachen.
Am Ende des Buches „Das Wunder Kairo“ findet sich ein Gastbeitrag, ein Glossar, ein Literaturverzeichnis, Quellen, Danksagung und Infos über die Autorin.
Gut verständlich geschrieben, ohne zu sehr in die historische Tiefe zu gehen, fallen beim Lesen die arabischen Namen und Wörter dennoch etwas schwer. Diese sind zwar von der Autorin transkribiert, aber es sind eben Buchstaben-Kombinationen, die für in diesem Falle mich, kompliziert sein können. Diese sind in Kursivschrift geschrieben.
Insbesondere das Alte Ägypten, das lange zurück liegt, mit seinen Lebenswirklichkeiten und ebenfalls religiösen Prachtbauten, hat noch gewissen Einfluß auf das moderne Ägypten in Kairo aber eher wenig, was im Buch herauszulesen ist. Der Islam ist so mächtig geworden, dass kaum noch was vom pharaonischen Ägypten in Kairo zu finden ist.
Schön wäre bei einer eventuellen zweiten Auflage, dann noch Informationen über das neue "Grand Museum" zu finden. Denn dieser neue extravagante Prachtbau dürfte auch ein bedeutender Teil Kairos werden.
Wer eintauchen möchte, in vergangene Zeiten sowie auch in das heutige Geschehen in Kairo, ist mit diesem tollen Buch sehr gut bedient.
Rezension von Mein Altägypten / Anja Semling im Oktober 2020
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